Römische Jugend(en) von Octavian bis Nero
Neronia XII. Internationaler SIEN-Kongress
Grenoble 7.-10. Oktober 2026
Die Jugend ist ein Thema par excellence für die Neronia! Der XIIe Internationale SIEN-Kongress wird sich diesem Thema widmen.
Nero selbst wollte seine Jugend (iuventa) zu einem Trumpf seines Prinzipats machen. Tacitus (Annalen, 13,4) zufolge war seine erste Rede vor dem Senat von dieser Idee geprägt: "Er hatte, um gut zu regieren, alles, was man an Ratschlägen und Beispielen braucht (...); weder Bürgerkriege noch häusliche Streitigkeiten hatten seine Jugend verbittert; er brachte weder Hass, noch erhaltene Beleidigungen, noch den Wunsch nach Rache zum höchsten Rang mit".
Als Nachfolger eines älteren Kaisers, der als körperlich und emotional schwach galt und die Patres terrorisiert hatte, machte er die Unschuld einer Jugend geltend, Er war gut erzogen und aufs Beste beraten worden; es gab für ihn keine Vorgeschichte mit Dramen, keine Rachegelüste, als ihm die Macht rechtmäßig angeboten worden war. Er würde weder wie der alte Claudius noch wie der junge, aber rachsüchtige Caligula sein. Er war Nero. Seine größten Rivalen, Britannicus und Octavia, waren ebenfalls noch jugendlich. Sein Amtsantritt bedeutete zugleich auch eine Verjüngung des Hofes, denn er umgab sich mit brillanten jungen Männern, Otho, Senecio, die bald genauso viel zählten wie die jene Alten, die den Kaiser berieten, Agrippina, Burrus und Seneca, und diejenigen, die er vom vorherigen Prinzips geerbt hatte, die Freigelassenen des Claudius. So waren die ersten Jahre von Neros Prinzipat von einer zunehmend angespannten Konfrontation zwischen zwei Generationen geprägt, der des Kaisers, der die Macht hatte, und der älteren Generation, die ihre Beraterrolle behalten wollte. Nero gab sich nicht damit zufrieden, jung zu sein, er pries die Jugend und das Versprechen der Erneuerung, das sie mit sich brachte; er feierte die Iuvennalia, gründete eine Vereinigung von Rittern, die Augustiani, die vor Jugend und Glanz strahlten, und bevorzugte die Grünen, eine Faktion, die mit Frühling und Erneuerung in Verbindung gebracht wurde. Im Gegenzug wurden ihm die Schwächen vorgeworfen, die man dem Ungestüm seines jugendlichen Alters zuschrieb: Turbulenzen, Unbesonnenheit und ungezügelte Begierden.
Die Bedeutung der Jugend in Rom war jedoch nicht nur für die Zeit Neros typisch. Claudia Moatti zeigte ("tempus fugit, jeunesse et vitesse", La Raison de Rome, Paris, Seuil, 1997, S. 83-89) anhand von Beispielen, dass ein entscheidender Wendepunkt in den letzten Jahren der Republik stattfand, als das Wiederauftauchen der Jugend in der politischen Debatte zum ersten Mal den Wunsch nach einem Bruch und nach Erneuerung markierte:
„L’utilisiation que fera Auguste du thème de la jeunesse dans sa propagande prend alors son sens“. Die Vorträge des Kolloquiums können sich daher auf einen Zeitraum erstrecken, der vom augusteischen Zeitalter bis zum Ende der neronischen Zeit reicht, wobei eventuell auch flavische Linien berücksichtigt werden können, sofern die Entwicklung eines politischen Themas, das von den Julisch-Claudischen instrumentalisiert wurde, deutlich wird. Ebenso können alle Quellen in allen Sprachen des Römischen Reiches und jeglicher Art berücksichtigt werden: epigraphische, numismatische, papyrologische, literarische, juristische und selbstverständlich auch ikonographische Quellen.
Dennoch ist die Jugend vom sozialen Standpunkt aus keineswegs ein einheitliches Thema. Von welcher Jugend sprechen wir? Wäre es nicht besser, von den römischen Jugenden zu sprechen? Um eine allgemeine Definition zu geben, kann man davon ausgehen, dass die Jugend dort beginnt, wo die Kindheit endet, und dass sie an der
Schwelle zur Reife endet, in dem Alter, in dem man voller Lebenskraft ist, die Verantwortung, einen Berufe oder andere Aufgaben voller Kraft und in vollen Umfang ausübt. Die Frage nach der Grenze lädt dazu ein, die Jugend als eine Vielzahl von Erfahrungen zu betrachten, je nach Rechtsstatus, Geschlecht und sozialer Kategorie. Die Art und Weise, wie diese Übergangsjahre verliefen, war für Bruder oder Schwester, für einen Arbeiter oder eine Arbeiterin, für einen Soldaten, für die Mitglieder des Senats- oder Ritterstandes und ihre jungen Klienten und selbst unter den Sklaven nicht gleich, je nachdem, ob sie im Haushalt, in der Stadt oder auf dem Land beschäftigt waren. Was die politische Karriere von jungen Bürgern betrifft, so werden wir auf der Konferenz die Altersgruppe der iuvenes in den Blick nehmen: zwischen der Übernahme der virilen Toga und der Übernahme der höheren Magistraturen mit imperium; nicht aber sollten es die iuniores sein, einer römisch-bürgerlichen Kategorie, die auch das mittlere Alter umfasste. Bei den freien Mädchen fiel das Ende der Kindheit mehr oder weniger mit der Pubertät zusammen, und der Zeitpunkt ihrer Ehefähigkeit und dann der Heirat bedeuteten einen Bruch, der durch die symbolische Übergabe von Puppen in das Feuer des Hausaltars rituell gefeiert wurde. Doch wo genau könnte für die Mädchen selbst die Jugend aufhören? War die ebenfalls oft frühe Mutterschaft eine (noch markantere) Grenze?
Die Abgrenzung des Jugendalters ist bei Sklaven noch schwieriger zu bestimmen, da ihre Kindheit nicht durch die sexuellen Verbote, die die Unschuld der freien Jugendlichen garantierten, geschützt war. Für männliche Sklaven bedeuteten die ersten Anzeichen der Pubertät oft einen Arbeitsplatzwechsel, der für die pueri delicati, die zu einer persönlichen Umorientierung gezwungen waren, dramatisch war. Für junge Sklavinnen hingegen war die Pubertät der Beginn der Fruchtbarkeit mit allen Vorzügen, Nachteilen und Gefahren dieses Zustands. Für Sklaven, die bis zu diesem Alter lebten, bedeuteten sicher das Alter von dreißig Jahren jedoch einen Wendepunkt, denn ab diesem Alter galten seit dem 1. Jh. n. Chr. gesetzliche Regeln zur Freilassung von Rechts wegen.
Die für die Konferenz erwarteten Beiträge sollen sich im oben ausgeführten Sinn auf die Jugend konzentrieren. Sie können aber auch in Verbindung oder im Vergleich mit anderen Altersstufen (Kindheit und Alter) Vortragsvorschläge machen. Außerdem können Sie bei Ihren Vorschlagen gerne auf die untenstehende Auswahl an Themen Bezug nehmen.
VORSCHLÄGE
1) Die Jugend: die Vielfalt der Erfahrungen
- zwischen einem einheitlichen Konzept (im Lateinischen wird iuventas/iuventa/iuventus in vielen Ausdrücken im Singular verwendet) und einer pluralistischen Gesellschaft.
- generische Vielfalt: Mädchen und Jungen vor dem Recht
- soziale Vielfalt: Elite und Volk
- demografische Vielfalt: Fertilität, früher Tod ...
- rechtliche Vielfalt: Freie und Sklaven ...
2) Jugend als Zeit des Lernens
- praktische Bildung, Erlernen eines Berufs: das Erlernen von Machtausüben und Verantwortung für Erben oder Mitglieder der kaiserlichen Familie, die tirones in der Armee und anderswo...
- die Funktionen der Jugend in Lebensläufen und Karrieren (Freigelassene, Ritter, angehende Senatoren)
- theoretische, intellektuelle, moralische Bildung
3) Jugend, das Zeitalter der Turbulenzen
- Jugend und Marginalität
- jugendliche Sexualität
- die Frechheit der Jugend: Randalieren in Städten ...
4) Jugend, das Zeitalter der Turbulenzen
- Jugend und Marginalität
- jugendliche Sexualität
- die Frechheit der Jugend: Randalieren in Städten ...
5) Jugend im öffentlichen Raum in Rom und den Städten des Reiches (Westen und Osten)
- öffentliche Kulte und Zeremonien, die mit der Jugend in Verbindung gebracht werden: Religion der Jungfrauen, die Salier und Luperces in Rom, die Parade am 15. Juli, die Troja-Spiele, die neronischen Iuvenalia
- Jugendverbände: die Augustiani und andere ...
- Jugendliche in Vereinen
- Jugendliche in der Welt der Unterhaltung
6) Die Bilder der Jugend
- jugendliche Porträts
- Jugendliche in statuarischen Gruppen
- die Schönheit der Jugend? Ästhetik und Ideale
7) Jugend und Legitimität
- die Stärken und Schwächen der jungen Kaiser
- Hierarchiefragen aus der Sicht der Generationen
- die Jugend im politischen Diskurs
8) Jung und alt
- die Heirat junger Menschen: eine Angelegenheit für alte Leute?
- die Betreuung der Jugend
- Jugendliche im römischen Recht: Vormundschaft ...
9) Junge Menschen und der Tod
- die Probleme, die der Tod der iuvenes für die römische Gesellschaft mit sich bringt
- junge Tote in der Epigraphik
- die jungen Toten und der Trost (consolatio)
PRAKTISCHE HINWEISE
Die Vorträge sollten maximal 20 Minuten dauern.
Sowohl für die Präsentationen als auch für die Abstracts können die Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch verwendet werden.
Einen Vorschlag für eine Präsentation von einer halben Seite ist vor dem 1. Mai 2025 an die folgende Adresse zu senden: neroniaxii(at)gmail(dot)com. Dieses Abstract sollte außerdem eine kurze Vorstellung des Autors und seiner Arbeit enthalten.
COMITE SCIENTIFIQUE
Florian BARRIÈRE, Université Grenoble Alpes
Julie DALAISON, Université Lyon 2
Olivier DEVILLERS, Université Bordeaux Montaigne
Marietta HORSTER, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Valérie HUET, Directrice du Centre Jean Bérard, École française de Rome
Frédéric HURLET, Université Paris-Nanterre
Francesca ROHR, Università Ca’ Foscari, Venezia
Alicia RUIZ GUTIERREZ, Universidad de Cantabria
Nicolas MATHIEU, Université Grenoble Alpes
Christophe SCHMIDT, Université de Genève
Philippe TAREL, CPGE Champollion-Grenoble
Nicolas TRAN, Université de Poitiers
Catherine WOLFF, Université d’Avignon
Den Call for Paper finden Sie auch hier.