CfP - Forschungsgeschichte der Archäologie in Österreich: eine Standortbestimmung

27.02.2025 - 28.02.2025 Ganztags

Forschungsgeschichte der Archäologie in Österreich:
eine Standortbestimmung

Call for Papers
27.-28. Februar 2025
Universität Innsbruck - Institut für Archäologien

 

Die archäologischen Wissenschaften haben die eigene(n) Forschungsgeschichte(n) lange Zeit nur am Rande thematisiert. Zudem war das Verständnis einer archäologischen Forschungsgeschichte oft beschränkt auf die wissenschaftlichen Vorarbeiten am Ort der jeweiligen Forschung bzw. der archäologischen Maßnahme. Das eigene archäologische Tun und Handeln und somit die Entwicklung der archäologischen Disziplinen wurden wenig bis gar nicht reflektiert.

Seit den 2000er-Jahren wurden allerdings auch für den österreichischen Raum einige Arbeiten und Monographien vorgelegt, welche sich der archäologischen Forschungsgeschichte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts angenommen haben. Dazu zählen vor allem die Werke Otto Urbans zur Urgeschichte an der Universität Wien (2002) sowie die Monographien von Irene Ranzmaier über die “Anthropologische Gesellschaft in Wien” (2013), von Brigitta Mader über die “Prähistorische Kommission” an der Akademie der Wissenschaften (2018) bzw. die von Theodor Brückler und Martha Fingernagel-Grüll herausgegebenen Bände “Zur Geschichte der österreichischen Denkmalpflege” (2020). Ergänzend gibt es mittlerweile einige biographische Arbeiten zu herausragenden Persönlichkeiten in der österreichischen Archäologie (Friedmann 2013; Obermair 2016; Lippert 2024), wobei tendenziell die Zeit des 2. Weltkriegs im Fokus stand. Diesem Schwerpunkt widmete sich eine Tagung zur “Archäologie in Österreich 1938-1945” (Modl und Peitler 2020). Zuletzt hat Michaela Zavadil (2023) einen Sammelband mit Reflexionen zum Stellenwert von Archäologie in der Ersten bzw. Zweiten Republik vorgelegt.

Florian Martin Müller (2014) ging zudem in einer Tagung und dem daraus resultierenden Sammelband über die institutionelle Perspektive hinaus und fragte erstmals nach der Rolle von Laienforschern und Dilettanten in der österreichischen Archäologie. Mehr als ein Jahrzehnt danach wollen wir mit einer Tagung daran anknüpfen und weiterführende Forschungen aufzeigen sowie neue forschungsgeschichtliche Aspekte thematisieren.

Die geplante Tagung widmet sich der Forschungsgeschichte der Archäologie in Österreich. Das Treffen soll vor allem eine Standortbestimmung sein und auch als Startpunkt einer möglichen Arbeitsgruppe dienen. Es soll nicht nur die Bandbreite an bisherigen forschungsgeschichtlichen Themen zur Archäologie Österreichs aufzeigen, sondern auch deren Potenzial verdeutlicht werden. Wir interessieren uns daher für die verschiedenen Zugänge zur archäologischen Forschungsgeschichte in Österreich sowie konkrete Forschungsergebnisse.

Dabei soll der Fokus auf die Archäologie(n) bzw. Altertumsforschung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts und insbesondere auf den (alt)österreichischen Raum gelegt werden. Während die institutionellen Bezüge der österreichischen Archäologie relativ gut erforscht sind, weisen die breite, wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung archäologischer Akteure, derer Netzwerke, der untersuchten archäologischen Orte und Zeiten, die Provenienzforschung archäologischer Bestände in Museen und Sammlungen sowie die Kontextualisierung der gemachten archäologischen Funde, Befunde und Interpretationen teilweise Lücken auf.

Die Tagung möchte daher eine Standortbestimmung für die archäologische Forschungsgeschichte Österreichs bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts sein und zum kollegialen Austausch, zur weiteren Vernetzung und Auseinandersetzung mit diesem thematischen Spektrum einladen. Allerdings keineswegs in erschöpfender Weise, sondern als erste Bestandsaufnahme, welche weitere Schritte in der neuen Arbeitsgruppe zur archäologischen Forschungsgeschichte Österreichs erst ermöglicht.

Mögliche Schwerpunkte und Fragestellungen könnten dabei sein:

  • Was versteht man überhaupt unter “Archäologie” bzw. “Altertumskunde” in den verschiedenen österreichischen Regionen zum jeweiligen Zeitpunkt?
  • Wer waren die Akteure, die sich mit “Archäologie” und Altertumskunde beschäftigen? Und warum oder wozu? 
  • Wie kann man sich archäologische bzw. altertumskundliche Untersuchungen vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vorstellen? 
  • Welche Beziehungen und Netzwerke hatten die “archäologischen” Akteure? 
  • Wie kamen Privatpersonen und Museen zu archäologischen Sammlungen? 
  • Welche Rolle spielte Archäologie für verschiedene soziale Gruppen und Identitätsstiftungen? 
  • Welchen Stellenwert nahm Archäologie für verschiedene Öffentlichkeiten ein? 
  • Was waren die Reaktionen auf die “Entdeckung” der Ur- und Frühgeschichte?
  • In welchen Regionen und in welcher Art fanden archäologische und altertumskundliche Untersuchungen statt? 
  • In welchen Räumen und mit welchen Medien wurden archäologische Erkenntnisse vermittelt? 
  • Welche politischen und nationalistischen Funktionen nahmen archäologische und altertumskundliche Funde wahr? 
  • Was kann über den Weg der Objekte und deren Umgang gesagt werden? 
  • Lassen sich “Charakteristika” archäologischer und altertumskundlicher Forschungen in Österreich oder durch österreichische Forschende bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts festmachen?

Geplant sind Vorträge (20 min) mit anschließender Diskussion. Posterbeiträge sind ebenfalls möglich. Forschende aller archäologischen Disziplinen und Nachbardisziplinen sowie insbesondere Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen sind eingeladen, Beiträge und Poster einzureichen. Eine Publikation ausgewählter Tagungsbeiträge wird angestrebt.

Haben wir Ihr Interesse geweckt, so bitten wir um Abstracts (siehe Anhang) bis zum 20.10.2024 an archaeo-forschungsgeschichte@gmx.at.

 

Literatur:

Theodor Brückler, Bundesdenkmalamt Wien (Hg.), Zur Geschichte der österreichischen Denkmalpflege. Die Ära Helfert. Teil 1: 1863-1891. Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2020 = Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege 25/1.

Martha Fingernagel-Grüll, Bundesdenkmalamt Wien (Hg.), Zur Geschichte der österreichischen Denkmalpflege. Die Ära Helfert. Teil 2: 1892-1910. Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2020 = Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege 25/2.

Ina Friedmann, Der Prähistoriker Richard Pittioni (1906–1985) zwischen 1938 und 1945 unter Einbeziehung der Jahre des Austrofaschismus und der beginnenden Zweiten Republik. Archaeologia Austriaca 95 (2013), 7-100.

Andreas Lippert, Moritz Hoernes. Der Wiener Pionier der Urgeschichtsforschung. Wiesbaden: Springer VS, 2024.

Brigitta Mader, Die Prähistorische Kommission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 1878-1918. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2018 = Mitteilungen der Prähistorischen Kommission 86.

Daniel Modl, Karl Peitler (Hg.), Archäologie in Österreich 1938-1945. Beiträge zum internationalen Symposium vom 27. bis 29. April 2015 am Universalmuseum Joanneum in Graz. Graz: Universalmuseum Joanneum, 2020 = Schild von Steier Beiheft 8/2020 = Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 79.

Florian M. Müller (Hg.), Graben, Entdecken, Sammeln. Laienforscher in der Geschichte der Archäologie Österreichs. Wien: LIT Verlag, 2014 = Archäologie. Forschung und Wissenschaft 5 = SPECTANDA, Schriften des Archäologischen Museums Innsbruck 4.

Robert Obermair, Kurt Willvonseder: Vom SS-Ahnenerbe zum Salzburger Museum Carolino Augusteum. Salzburg/Wien: Otto Müller Verlag, 2016. Irene Ranzmaier, Die Anthropologische Gesellschaft in Wien und die akademische Etablierung anthropologischer Disziplinen an der Universität Wien 1870-1930. Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2013.

Otto H. Urban, „… und der deutschnationale Antisemit Dr. Matthäus Much“ – der Nestor der Urgeschichte Österreichs? Mit einem Anhang zur Urgeschichte in Wien während der NS-Zeit, 2. Teil. Archaeologia Austriaca 86 (2002), 7-43. Michaela Zavadil (Hg.), Archäologie und Republik: Reflexionen zur Archäologie in Österreich in der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2023