Johanna Pahl B.A. hat durch das Archäologiestudium ihr Interesse für Humanmedizin entdeckt.

 

Was haben Sie wo studiert?

  • Altertumswissenschaften, Profilbereich: Prähistorische Archäologie im Bachelor, FU Berlin
  • Als Wahlpflichtfächer oder auch ganz ohne Anrechnung habe ich zusätzlich einige Kurse in Alter Geschichte, Anthropologie und Archäozoologie belegt.

Was waren Ihre bisherigen beruflichen Stationen?

Nach dem Bachelor begann ich im Sommersemester 2017 Humanmedizin an der Charité zu studieren. Der Übergang war aufgrund von bürokratischen Spitzfindigkeiten fließend und ich schrieb meine Bachelorarbeit während des ersten Semesters Medizin, momentan befinde ich mich im 6. Semester.

Im archäologischen Bereich habe ich meine beruflichen Erfahrungen im Kontext von Praktika während des Studiums gemacht. Dabei habe ich Wert darauf gelegt, dass diese möglichst breit gefächert sind. So war ich in der Befunddokumentation und Inventarisierung einer neuzeitlichen Grabung (NS-Zeit) auf dem Tempelhofer Flugfeld tätig, habe im Museum für Archäologie Schloss Gottorf (wozu auch das Wikingermuseum Haithabu gehört) in diverse Bereiche hineinschnuppern dürfen, beispielsweise Kinder- und Erwachsenenführungen begleitet, Exponate für die Ausstellung vorbereitet, der Marketingabteilung über die Schulter geschaut und Löcher in den Bauch gefragt und zwischendurch viel Archivarbeit getan, hauptsächlich Tierknochen bestimmen und sortieren.

Als sich dann das Bachelorstudium dem Ende zu neigte, wurden in Regensburg für eine große (und meine erste „richtige“, da keine Lehrgrabung) Ausgrabung anthropologisch vorgebildete Grabungshelfer gesucht. Dort sammelte ich dann meine Erfahrungen in der echten Arbeitswelt über etwas mehr als 2 Monate. Es war dann auch diese Ausgrabung, die meinen leisen Verdacht, dass das klassische Archäologenleben nichts für mich ist, bestätigte. Es stellte sich heraus, dass ich absolut untalentiert bin im Anlegen von Plana und Profilen und dass ich diesbezüglich auch keinen Ehrgeiz entwickeln konnte. Ich assistierte dann die meiste Zeit dem verantwortlichen Anthropologen, worin eindeutig meine Stärke und mein Interesse lag. Aber auch hier zeigte sich, dass meine Vorstellung und die Realität von einander abwichen. Ich wollte mich für Einzelschicksale, einzelne Knochenbrüche und Krankheiten begeistern, was leider aufgrund der Größe und der Fragestellung nach der groben Demographie des Gräberfeldes nicht möglich war.

Im medizinischen Bereich war ich als Praktikantin zur Unterstützung der Pflegekräfte auf einer chirurgischen Station, einer Station für Schlaganfallpatienten und einer geschlossenen Psychiatrie jeweils einen Monat lang tätig.

Als studentische Mitarbeiterin habe ich ein Jahr im Buchhandel im Firmenkundenservice gearbeitet.

Was war Ihr Berufsziel während des Studiums? Hat sich Ihr Berufsziel während des Studiums verändert? Wie haben Sie sich während des Studiums beruflich orientiert?

Begonnen habe ich mit dem Archäologiestudium aus der Idee heraus, Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft zu verbinden, passend dazu waren meine Leistungskurse in der Schule Biologie und Geschichte, in Latein habe ich meine dritte Abiturprüfung absolviert. Eine konkrete Berufsvorstellung hatte ich während der ersten Semester nicht.

Während des Studiums habe ich mich immer stärker zu den Ergebnissen der Archäologie hingezogen gefühlt, als zur Bereitstellung einer Forschungsgrundlage. D. h. ich sah mich viel eher in Museen, in der Wissensvermittlung oder in der Forschung, aber nicht grabend auf dem Feld. Mir wurde allerdings von meinen Dozenten schnell klar gemacht, dass die praktische Expertise sehr wichtig sei und es ungewöhnlich bis unmöglich wäre, ohne Grabungstätigkeit vorweisen zu können in Forschung oder Wissensvermittlung Fuß zu fassen.

Dazu habe ich meine Begeisterung für biologische Themen neu entdeckt, zunächst über den Umweg von Tierknochen und Domestikation im Neolithikum. Dann hatte ich das Glück, an anthropologischen Kursen teilnehmen zu dürfen. Und da war ich mir dann sehr sicher, dass ehemals lebendige Dinge viel mehr zu mir sprechen als Artefakte.

Zunächst wollte ich mich auf Anthropologie spezialisieren, aber das Lehrangebot in Deutschland ist diesbezüglich sehr dürftig und ein Studium im Ausland kam für mich aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Auch die beruflichen Aussichten für Anthropologen waren nicht gerade berauschend, mit dem Trend immer düsterer zu werden, wie ich von aktiven Anthropologen erfuhr. Ich entschied dann, dass lebende Menschen auch ganz interessant sein können und bewarb mich für Humanmedizin. Mittelfristig möchte ich der Vergangenheit treu bleiben und versuchen mich zum Beispiel am Medizinhistorischen Institut an Projekten zu beteiligen, bei denen ich Medizin und Archäologie verbinden kann.

Wie haben Sie den Übergang in die berufliche Tätigkeit nach dem Beruf empfunden?

Ich kann hier nur berichten, wie der Übergang vom Archäologiestudium zum Medizinstudium war und das war härter als gedacht. Das Medizinstudium hat meiner Meinung nach nicht viel mit studieren zu tun. Alle müssen alles machen, alle müssen alles können und jeder bekommt seinen Stundenplan vorgefertigt ausgehändigt, dazu sind die Seminare in Klassenstärke, die Vorlesungen zwischen einhundert und dreihundert Teilnehmern, für jede 90 minütige Veranstaltung ein anderer Dozent (zu jedem Gebiet spricht ein Experte), was aber keine Kontinuität oder tiefergehende Kontaktaufnahme zu den Lehrenden erlaubt.

Was können Archäolog*innen nach dem Studium besonders gut? Was nutzen Sie von diesen Kompetenzen für Ihre aktuelle Tätigkeit?

Ich bin besonders glücklich darüber, dass ich kritisches Hinterfragen und strukturelles Denken während des Studiums gelernt habe. Das hat mir in meinem studentischen Job im Buchhandel geholfen, bestehende Strukturen zu analysieren und zu optimieren, sodass ich zu meiner eigenen, für mich effektiven Arbeitsweise finden konnte, ohne den laufenden Betriebsablauf zu stören.

Das Archäologiestudium hat mich außerdem gelehrt meine eigene Rolle in wissenschaftlichen Kontexten oder auch in privaten Diskussionen zu reflektieren, da wir eben nicht vollkommene objektive Beobachter sein können.

Eine überraschend große Rolle spielt für mich jetzt noch die Wissenschaftsgeschichte, die zeigt, wie Konstrukte gewachsen sind, warum einige Dinge Namen tragen, die irreführend sind und weshalb einiges so gemacht wird und nicht anders. Dahingehend sensibilisiert zu sein und geschichtliche Entwicklungen als selbstverständlich im Hinterkopf mitzudenken, ist für mich in meinem jetzigen Studium ein wahnsinnig großer Vorteil.

Was hätten Sie im Studium, aus heutiger Sicht, anders gemacht?

Wenn ich mit dem heutigen Wissen und Erfahrung noch einmal anfangen könnte Archäologie zu studieren, würde ich selbstbewusster und individueller meine Kurse wählen. Ich schwamm ungefähr die Hälfte der Studienzeit nur mit dem Strom mit, habe die Module nach dem empfohlenen Fahrplan gewählt und habe mir dabei nicht viel Mühe gemacht herauszufinden, ob mich das Thema interessiert oder nicht. Ich habe die Einstellung aus der Schule, dass das Ziel der Abschluss sei und man durch das andere irgendwie durch müsste, leider erst ziemlich spät verloren. Einige Kurse haben mich so gar nicht interessiert und auch überhaupt nicht weitergebracht, was mir oft schon an deren Anfang klar gewesen ist und ich habe sie dennoch durchgezogen – wegen der Punkte. Das würde ich heute nicht mehr tun. Ich würde mehr Zeit investieren, um Kurse zu finden, die zu mir passen.

Allerdings würde ich mich auch eher festlegen. Ich habe viel herumgeschaut und ausprobiert und dabei auch Module belegt, von denen ich eigentlich vorher ahnte, dass das nichts für mich ist. Zu Gunsten dessen habe ich dann den zweiten oder dritten Anthropologiekurs geopfert, weil ich dachte, ich müsste alles ausprobiert haben und mir sicher sein, dass da nicht doch noch eine verborgende Leidenschaft in mir schlummert, was sich aber im Endeffekt nicht gelohnt hat – vor allem, weil ich ja bereits etwas gefunden hatte, für das ich brennen konnte. Ich bereue immer noch, dass ich nicht ausgiebiger das gemacht habe, was mich erfüllt, sondern das, von dem ich dachte, ich müsste es tun.

Welchen persönlichen Tipp können Sie Studierenden des Fachs Archäologie geben, damit sie den für sie passenden Job finden?

Auf jeden Fall sollten die Studierenden ihren Interessen folgen. Ich denke, nur wenn man mit seinem ganzen Herzblut bei der Sache ist, lassen sich die bekannten Schwierigkeiten bei der Jobsuche überwinden. Dabei ist meiner Meinung nach die Balance zwischen breit aufgestellt sein in seinem Wissen und sich zu spezialisieren sehr wichtig. Außerdem hat mir die Erfahrung gezeigt, dass man sich immer wieder hinterfragen sollte und dabei ehrlich zu sich selbst sein muss, was man eigentlich möchte und sein Tun diesem stets nachjustiertem Ziel anpassen muss, auch wenn es schwer fällt, weil man vielleicht fürchtet „Zeit verschwendet zu haben“.